Manolis Axiotis ist ein junger Mann, patent, ehrlich und direkt. Er ist Christ und Grieche, aber Türkisch ist seine zweite Muttersprache, sein bester Freund ein Türke. Als ihn sein Vater nach Izmir schickt, um bei einem griechischen Händler in die Lehre zu gehen, wird ihm klar, dass es Betrüger oder ehrliche Menschen gibt, unabhängig davon, ob sie Christen oder Moslems sind.
Doch die Zeitumstände sind ungünstig: Der Erste Weltkrieg kommt, das Osmanische Reich zerfällt, in Kleinasien soll ein türkischer Nationalstaat entstehen. Alle Nicht-Moslems, wie Manolis und seine Brüder, werden eingezogen, aber nicht an die Front, sondern in Arbeitslager geschickt. Manolis erlebt Szenen der Brutalität an Griechen und Armeniern, unterbrochen von Momenten der Menschlichkeit. Marodierende Deserteure und rachsüchtige Bauern gibt es ebenso wie pflichtbewusste Ärzte und liebenswürdige Großgrundbesitzer. Als nach dem Ende des Weltkrieges die griechische Armee in Kleinasien einmarschiert, wiederholen sich die Szenen der Gewalt und Unterdrückung, nur diesmal umgekehrt ...
Der in Griechenland und der Türkei beliebte und mehrfach preisgekrönte Roman von Dido Sotiriou, einer osmanischen Griechin aus Anatolien, analysiert eine pathologische Entwicklung der Geschichte: Wie kommt es in einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft zu ethnischen und religiösen Säuberungen? Wie leicht ist der Übergang von Zivilisation zu Barbarei? Nach der Lektüre der zahlreichen Szenen - Lebensstationen eines osmanischen Griechen -, weiß man: Ob in Kleinasien, auf dem Balkan, im Nahen Osten oder anderswo, die Mechanismen bleiben die gleichen
Dido Sotiriou wurde 1909 in Aydin geboren und wuchs in Izmir auf. Nach dem griechisch-türkischen Krieg und der Vertreibung der griechischen Bevölkerung aus Kleinasien im Jahre 1922 flüchtete sie nach Piräus, kurz danach ließ sie sich in Athen nieder. Sie studierte französische Literatur in Athen und Paris, trat in die griechische KP ein und engagierte sich in Frauenorganisationen. Während der Besatzungszeit arbeitete sie für die Widerstandspresse, nach dem Krieg schrieb sie für linksliberale Blätter sowie solche, die sich für die Rechte der Frauen einsetzten. Sie war Gründungsmitglied des Komitees für die Griechisch-Türkische Freundschaft. Lebewohl, Anatolien (Originaltitel: ____mi_ni_ __mi___, Blutgetränkte Erde, 1962) war ihr zweiter Roman und eines der meistgelesenen Bücher der Nachkriegszeit. Weitere Romane sind u.a. Die Toten warten (1959), Das Gebot (1976, 1992 auf Deutsch im Romiosini Verlag erschienen) und Wir werden dem Erdboden gleichgemacht (1982); ihr Werk wurde in Griechenland und der Türkei mehrfach preisgekrönt. 2004 starb sie in Athen.