"Ganze Züge voller Frauen gingen an die Front", erinnert sich eine ehemalige Rotarmistin im Gespräch mit Swetlana Alexijewitsch. "Es waren nicht mehr genug Männer da. Sie waren gefallen. Lagen unter der Erde oder waren in Gefangenschaft." Die Frauen waren "bereit, für die Heimat zu sterben. So waren wir erzogen." Sie waren nicht nur Ärztinnen und Krankenschwestern, sondern auch Fliegerinnen, weibliche Scharfschützen und Panzersoldaten. Und sie waren jung: "Ich war noch so klein, als ich an die Front ging", erzählt eine ehemalige Scharfschützin, "dass ich im Krieg noch gewachsen bin." Und sie waren für ihr Leben traumatisiert. Sie erzählen der Autorin vom Tod und vom Töten, von Blut, Dreck und Läusen, von Kriegsverbrechen, von Verwundungen, Schmerzen, Hunger und miserabler Ausrüstung - und wie man sie vergessen hat, als es nach dem Krieg darum ging, die "Helden" zu feiern.
Das erschütternde Dokument einer ausgeblendeten Seite des Zweiten Weltkriegs: Rund eine Million Frauen habenin der Roten Armee gekämpft. Swetlana Alexijewitsch lässt sie zu Wort kommen.
Sieben Jahre arbeitete Swetlana Alexijewitsch an diesem, ihrem ersten Projekt. Es konnte erst unter Gorbatschow erscheinen, wurde zweimillionenmal verkauft und galt doch vielen als Tabubruch - zu unheroisch, zu weiblich, zu viel Grauen. Aber das war ihre Absicht: die andere Geschichte des Krieges erzählen, die der Frauen, nicht der Ereignisse. Eine Million junger Frauen kämpften in der Roten Armee, die meisten, fast noch Kinder, meldeten sich freiwillig. Sie kamen in eine Männerwelt, deren Bedingungen sich nicht änderten, nur weil die Kombattanten weiblich waren. Das konservative Frauenbild der Sowjetgesellschaft, im Krieg aufgehoben, holte die Soldatinnen danach wieder ein. So eine heiratete man nicht, so eine war keine Heldin, erzählt doch nur "Frauenkleinkram" und also den falschen Krieg. Sie wurden verachtet, beschwiegen, und also schwiegen sie auch. Bis Swetlana Alexijewitsch kam und sie fragte. Aus Hunderten Gesprächen hat sie ihre andere Geschichte herausgehört, zu einem vielstimmigen, erschütternden, unsentimentalen Chor komponiert, bearbeitet und in dokumentarische Prosa verwandelt. Es erzählen Sanitäterinnen, Scharfschützinnen, Partisaninnen, Pilotinnen über das normale Leben und die schwere Arbeit an der Front. Wie es ist, tonnenschwere Bomben mit bloßen Händen am Flugzeug zu befestigen, fast nie zu schlafen, Verwundete zu bergen, selbst verwundet zu werden. Und wie unerträglich es ist zu töten. "Ich begriff", schreibt die Autorin, "dass es Frauen schwerer fällt ..." In dieser Neuauflage ergänzt die gerade erst mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnete Autorin ihre Geschichte des Krieges mit Tagebucheinträgen und zwei kurzen Kapiteln: was 1985 die Zensur gestrichen hat und was sie selbst.
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